Öffentlichkeitsbeteiligung in Umweltverfahren am Prüfstand
Die Arbeiterkammer Wien, das Ökobüro und die Wiener Umweltanwaltschaft haben anlässlich des 15-jährigen Jubiläums seit in Krafttreten der Aarhus-Konvention eine gemeinsame Zwischenbilanz gezogen. Insgesamt fünf Impulsreferate beleuchteten die Entwicklung der Aarhus-Konvention national und international. Den Abschluss bildete eine Podiumsdiskussion über die zukünftige Entwicklung.

Bei der Eröffnung durch Sylvia Leodolter (AK), Andrea Schnattinger (Wiener Umweltanwältin) und Beate Striebel (WWF, ÖKOBÜRO), erläuterten die Rednerinnen die Relevanz von Öffentlichkeitbeteiligung und Demokratisierung im Umweltrecht für eine effiziente und engagierte Zivilgesellschaft. Beteiligungsrechte werden, so wurde betont, nur mit Bedacht und in wenigen, ausgewählten Fällen von den NGOs genutzt. Dort sei es allerdings umso wichtiger, ordentlichen und völkerrechtskonformen Rechtsschutz zu genießen.

Auch für Arbeitnehmer/innen sei der Schutz der Umwelt ein wichtiges Anliegen, wofür die Aarhus Konvention durch die Beteiligung der Öffentlichkeit ein wichtiges Werkzeug darstelle.

Rolle von NGOS und Umweltanwaltschaften
Meilensteine der Aarhus-Konvention
Erste Säule: "Umweltinformation"
Zweite Säule: "Öffentlichkeitsbeteiligung"
Dritte Säule: "Zugang zu Gerichten"
Rechtsschutz der Öffentlickeit im EU-Vergleich
Interessensvertreter wollen klare gesetzliche Regelungen

Rolle von NGOs und Umweltanwaltschaften

Schließlich wurde auch die sich ergänzende Rolle von NGOs und Umweltanwaltschaften hervorgehoben. Gewerkschaften und die AK als Interessenvertretungen der Beschäftigten müssen von Anfang an bei großen Projekten einbezogen werden und nicht erst, wenn schon planungstechnisch vollendete Tatsachen geschaffen worden sind, forderte Sylvia Leodolter, Leiterin der AK-Abteilung Umwelt und Verkehr.

Die Umweltanwaltschaften sind nicht betroffene Öffentlichkeit im Sinne der Aarhus-Konvention, stellt Dr. Andrea Schnattinger, Wiener Umweltanwältin, in ihrem Eröffnungsstatement fest. Sie nehmen öffentliche Interessen wahr und haben festgelegte gesetzliche Aufträge zur verpflichtenden Behandlung und Wahrung von Umwelt- und Naturschutzinteressen sowie damit verbundene Rechte. Sie haben umfassende Fachkompetenz um ihre Arbeit mit Kontinuität, Objektivität und Sachlichkeit zu tun, sind oft Mittler und „Übersetzer“ zwischen Behörde und Öffentlichkeit und nehmen auch Natur- und Umweltschutzinteressen wahr, die sonst kein Gehör finden. Was die Umweltanwält/innen brauchen sind Partner/innen, die gut informiert und mit Rechten ausgestattet eigene Interessen wahrnehmen können und in einer guten Kooperation ergänzend handeln. Das soll die Umsetzung der Aarhus-Konvention zum Nutzen der Umwelt und Natur erweitert möglich machen.

Meilensteine der Aarhus-Konvention

Im ersten Beitrag ließ Thomas Alge vom Ökobüro die Entstehungsgeschichte der Aarhus-Konvention sowie die Entwicklung der letzten 15 Jahre Revue passieren. Der „Environment for Europe“-Prozess der UN-ECE begann bereits Anfang der 1990-er Jahre. Ziel war es einen Interessensausgleich zwischen staatlichen, privaten und Umweltinteressen zu finden. Umweltschutz sollte durch Partizipation verbessert werden. Durch mehr Mitspracherechte sollten die Demokratie und der Rechtsstaat gestärkt werden. Die Aarhus-Konvention trat schließlich mit den drei Säulen „Zugang zu Umweltinformationen“, „Öffentlichkeitsbeteiligung“ und „ Gerichtszugang“ 2001 in Kraft. Die EU und Österreich ratifizierten die Aarhus-Konvention 2005. Die EU selbst setzte bereits am Beginn durch die Öffentlichkeitsbeteiligungs- und die Umweltinformationsrichtlinie einige Umsetzungsschritte. In Österreich folgten entsprechende Novellen des Umweltinformations- und des Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetzes sowie einige Anpassungen weiterer Materiengesetze. Thomas Alge kommt zum Ergebnis, dass die ersten beiden Säulen im Gegensatz zur dritten Säule der Aarhus-Konvention bereits größtenteils umgesetzt sind.

Erste Säule: „Umweltinformation“

Die erste Säule normiert ein „Jedermann-Recht“ auf Zugang zu Umweltinformationen ohne Nachweis eines Rechtsanspruches oder rechtlichen Interesses. Wie Frau Prof. Verena Madner, Wirtschaftsuni Wien, anschaulich darlegt, ist das Recht auf Umweltinformation die am besten umgesetzte Säule. Probleme können allenfalls dann auftauchen, wenn die informationspflichtige Stelle die Informationserteilung unterlässt. Entscheidend ist dabei auch, ob die Informationserteilung ausreichend bestimmt ist. Die Verwaltungsgerichte haben hier einen großen Gestaltungsspielraum, den sie auch nützen sollten.

Zweite Säule: „Öffentlichkeitsbeteiligung“

Bettina Bachl, Uni Linz, hebt in ihrem Vortrag die verschiedenen Aspekte der Öffentlichkeitsbeteiligung hervor. Die Aarhus-Konvention verwendet dabei den Begriff der „betroffenen Öffentlichkeit“. Wer zum Kreis der betroffenen Öffentlichkeit zählt ist dabei nicht immer eindeutig. Staatliche Organe, wie beispielsweise die Umweltanwaltschaften, zählen jedenfalls nicht dazu. Weitestgehend umgesetzt ist die Öffentlichkeitsbeteiligung im Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Dies darf aber nicht dazu führen, dass man sich ausruht, sondern es ist eine kontinuierliche Optimierung der Öffentlichkeitsbeteiligung anzustreben.

Dritte Säule: „Zugang zu Gerichten“

Theresa Weber, Uni Salzburg, erwähnt in ihrem Vortrag nicht nur die einschlägige Norm des Art 9 Abs 3 Aarhus-Konvention, sondern auch Art 47 Grundrechtscharta. Beide Bestimmungen stützen sich auf das Konzept des Interessensschutzes („Interessensschutztheorie“) während die österreichische Rechtspraxis sich auf die Schutznormtheorie stützt, wonach nur subjektiv-öffentliche Rechte zu schützen sind. Diese Schutznormtheorie ist mit Rechtsprechung des EuGH nicht vereinbar, weil zu eng gefasst. Defizite ortet Theresa Weber auch beim Rechtsschutz im Zusammenhang mit Verordnungen und mit „Plänen und Programmen“. Abhilfe schaffen könnte hier ein entsprechendes Umweltrechtsbehelfsgesetz des Bundes bzw. sektorale Lösungen in den einzelnen Materiengesetzen des Bundes und der Länder.

Rechtsschutz der Öffentlichkeit im EU-Vergleich

Siim Vahtrus aus Estland spannt zum Abschluss der Vortragsreihe einen Bogen von Deutschland bzw. Österreich, mit einem sehr eingeschränkten Parteienkreis, bis Portugal, wo jede Person oder NGO mit dem Ziel des Umweltschutzes Handlungen der Behörde ohne Nachweis des persönlichen Interesses anfechten kann. Er betont aber ausdrücklich, dass neben der Parteistellung auch andere Aspekte von großer Bedeutung sind. Entscheidend zu einem effizienten Zugang zum Recht sind jedenfalls auch die Verfahrenskosten und die Verfahrensdauer. Der Rechtsschutz sollte auch aufschiebende Wirkung haben, um nach gewonnenem Verfahren nicht vor vollendeten Tatsachen zu stehen. Schlussendlich ist auch wichtig, ob nur formale Fehler oder auch inhaltliche vorgebracht werden.

Interessensvertreter wollen klare gesetzliche Regelungen

In der abschließenden Podiumsdiskussion stimmen die Vertreter/innen der Wirtschaft, der NGOs und der Behörden überein, dass Aarhus-konforme gesetzliche Regelungen schnellst möglich beschlossen werden müssen, da auf Grund der Rechtsunsicherheiten der Wirtschaftsstandort Österreich nachhaltig geschädigt wird.